Abgetaucht im Paradies

Hat Goethe etwa (schon wieder) Recht ...

... wenn er sagt: "Alles in der Welt läßt sich ertragen, nur nicht eine Reihe von schönen Tagen"?

Diese Frage lag der ersten Version von "Abgetaucht im Paradies" zugrunde, die zwischen
2001 und 2003 entstand und seitdem immer wieder überarbeitet und weiterentwickelt wurde. Während eines zweiwöchigen Aufenthalts auf der Malediven-Insel Ari Beach beschäftigte ich mit diesem Thema. Die Insel bietet für den stressgeplagten und permanenten Reizwechsel gewöhnten Urlauber wenig Abwechslung und wirft ihn somit auf sich selbst zurück. 
Wenn kaum noch äußere Ablenkung vor der Beschäftigung mit den existentiellen Fragen des Daseins "schützen", kann man sich ihnen nur schwer entziehen: Wer bin ich, woher komme ich und wohin gehe ich, wenn ich die "sterbliche Hülle abgeworfen" (Hamlet) habe? Lässt man sie zu, können sie sehr unangenehm sein und an den Grundfesten des bisherigen Lebensentwurfs rütteln. Zum Beispiel dann, wenn man merkt, dass man wie ein Schaf in einer Herde mitläuft, die von irgendjemandem vor sich hergetrieben wird. Und möglicherweise weiß man noch nicht einmal, wer dieser Antreiber ist.
Die Zeit des großen Erlebnishungers zu Beginn des 21. Jahrhunderts scheint inzwischen einer kollektiven Duldungsstarre eines Großteils der Bevölkerung gewichen zu sein, die mit der Bewältigung des Alltags mehr als ausgelastet ist. Man erledigt immer mehr in immer kürzerer Zeit und schaut zugleich ängstlich auf die Autokraten, die rings herum in der Welt wie Giftpilze aus dem Boden schießen, und von denen man hofft, dass sie "nur spielen" wollen.
Die Protagonisten in "Abgetaucht" agieren in diesem Spannungsfeld zwischen Erlebnishunger, Flucht vor der Beschäftigung mit dem eigenen Sein, dem Ausgeliefertsein an den Status Quo und den kleinen Käbbeleien untereinander.
Und ja, ich fürchte, Goethe hat schon wieder Recht.


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